Ingrid Korosec

INGRID KOROSEC ist Landtagsabgeordnete, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes und Volksanwältin a.D.
Wie beurteilen Sie als Senioren- und Gesundheitspolitikerin die Möglichkeit der 24-Stunden-Betreuung?
Korosec: Prinzipiell sehr, sehr positiv. Diese Form der Unterstützung im Alter entspricht genau dem, was sich die meisten älteren Menschen wünschen: Weiter in den eigenen vier Wänden wohnen und jene Hilfe zu bekommen, die man braucht. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht.
Ist die 24-Stundenbetreuung daher die ideale Lösung für die bestehende Krise des Versorgungssystems?
Korosec: Im Moment kommt das Modell nur für Menschen mit mittlerem und hohem Einkommen oder entsprechenden finanziellen Rücklagen in Frage. Trotz Zuschüssen muss man abhängig von der Pflegegeldstufe zwischen 650 und 1.500 Euro für die PersonenbetreuerInnen selbst tragen. Dazu kommen dann noch die Lebenserhaltungskosten für zwei Personen. Das summiert sich rasch auf 2.500 Euro „Selbstbehalt“ und das entspricht exakt der Einkommensgrenze von 2.500 Euro netto, bis zu der man die Förderung von 800 Euro erhält. Mit der Medianpension von ca. 1.500 Euro geht es sich ganz sicher nicht aus. Außerdem benötigt man entsprechenden Wohnraum, um die BetreuerInnen unterzubringen.
Ließe sich eine weitere Erhöhung der Zuschüsse rechtfertigen?
Korosec: Für die öffentliche Hand ist diese Betreuungsform mit 800 Euro überaus kostengünstig. Nur pflegende Angehörige sind noch billiger, sie bekommen gar nichts. Und jeder Heimplatz kommt weit teurer: Dafür wird die Pension der Betroffenen bis auf 20% und den 13. und 14. Bezug einbehalten. Dieser Eigenanteil macht durchschnittlich 1.200 Euro plus Pflegegeld aus. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten eines Heimplatzes von 3.500 bis 5.000 Euro übernimmt die Sozialhilfe. Das macht pro HeimbewohnerIn mehrere tausend Euro im Monat aus. Bei einer Reform des Pflege- undBetreuungssystems könnte die 24-Stunden-Betreuung daher durchaus neu positioniert werden.
Haben Sie dazu konkrete Vorstellungen?
Korosec: Ich sehe diese Betreuungsform als durch aus ausbaufähig. Dazu müssen jedoch die Rahmenbedingungen insgesamt neu festgelegt werden. An mich wenden sich Betroffene auch oft, weil es Probleme mit den PersonenbetreuerInnen bzw. den Organisationen von Personenbetreuung gibt. Wir wissen alle, dass es in diesem Bereich Mängel gibt. Die Betroffenen klagen über fehlende Sprachkenntnisse, mangelnde Ausbildung und häufigen Personalwechsel. Diese Kritikpunkte kann ich gut nachvollziehen, „warm, satt ,sauber“ ist in der heutigenZeit nicht genug. Die Menschen brauchen Ansprache und müssen dem Gegenüber vertrauen, schließlich lebt man dauerhaft zusammen. Ich würde daher eine Erhöhung der staatlichen Förderung auch an Bedingungen knüpfen – das regte übrigens bereits der Rechnungshof vor mehreren Jahren an. Dazu gehört für mich die verpflichtende ÖQZ-24 Zertifizierung sowie verpflichtende Hausbesuche durch unabhängige Fachkräfte. Abgesehen davon sehe ich ein Problem, dass der Beruf der 24-Stunden-BetreuerInnen an Attraktivität verliert. Steigt das Einkommensniveau in den Heimatländern, sinkt die Lust wegzugehen. Und einfach ist der Beruf wirklich nicht. Sie sind eine Befürworterin der Digitalisierung auch im Bereich der Betreuung.
Kann die 24-Stunden-Betreuung davon profitieren?
Korosec: Die PersonenbetreuerInnen dürfen zwar keine medizinische Pflege im eigentlichen Sinn durchführen, sind aber trotzdem für den körperlichen und psychischen Zustand der zu betreuenden Person verantwortlich. Hier kommt bereits die Digitalisierung ins Spiel. Dazu kommen Möglichkeiten der Sensorik. Das entlastet die PersonenbetreuerInnen ungemein. Dann gibt es die Möglichkeit von Tele-Care in den jeweiligen Formen. Das nimmt Stress und hebt gleichzeitig die Qualität der Betreuung.
Danke für das Gespräch.